Aufgrund der Absprache, auf der Ratssitzung nur 5 Minuten zu reden, haben wir im Rat nur einen Teil unserer Haushaltsrede gehalten. Hier die ganze Stellungnahme:
Herr Bürgermeister, Kolleg*Innen der Politik, Mitarbeiter*Innen der Verwaltung, liebe BürgerInnen und VertreterInnen der Presse,
als Fraktion „DIE LINKE“ im Erkrather Stadtrat beschäftigen wir uns das erste Mal mit dem Haushaltsplanentwurf. Wir sind mit großem Respekt an den dicken Ordner mit weit über 700 Seiten und die vielen Änderungsvorschläge gegangen. Dieser Ordner mit Produktgruppen, Tabellen, tausenden von Einzelposten erschlägt jeden, der sich nicht tagtäglich damit auseinandersetzt.
An dieser Stelle möchten wir uns ausdrücklich bei den anderen Fraktionen und der Verwaltung bedanken: Sie haben uns Logik und Zahlen des Haushaltsplanentwurfes nähergebracht und viele unserer Fragen kollegial und mit Geduld beantwortet. Danke dafür.
Uns ist dabei einiges aufgefallen:
Das Haushaltsrecht als „Königsrecht des Parlaments“ gibt es nicht. Wenn das so wäre, dann hätten in der Vergangenheit die Könige wenige Möglichkeiten gehabt. Tatsächlich ist es so, dass der größte Teil der Mittel im Haushalt von Bund und Land zugeteilt werden – genauso wie die Aufgaben, für die diese Mittel verwendet werden müssen. Bei der Zuteilung der Mittel sind Bund und Land geizig, bei der Zuteilung von Aufgaben dagegen großzügig. Das Ergebnis ist, dass es bei der Haushaltsdiskussion bestenfalls um die Verwaltung von Mitteln geht, nicht darum, wie die Stadtgesellschaft sich selbst gestalten will.
Unsere Stadt – wie wohl auch alle anderen Kommunen – ist strukturell unterfinanziert. Sie kann die Aufgaben, die sie ausfüllen muss, mit den vorgegebenen Mitteln nicht stemmen. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn „Bildung“ Ländersache ist, wie kann es dann sein, das die Schulgebäude von der Kommune bezahlt werden müssen. Natürlich ist vor Ort die Planung und Umsetzung einfacher und besser als auf Landesebene – aber das Geld dafür muss trotzdem vom Land kommen. Es kann nicht sein, dass unterfinanzierte Städte sich Instandhaltung von Schulen und Kindergärten nur eingeschränkt leisten können, weil einfach kein Geld dafür da ist. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die „Verwaltung“ der Mittel zu einem ausgeglichenen Haushalt eigentlich eine Farce ist. Die Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden begründet den Mangel bei der Erfüllung der Aufgaben, einen Mangel, der durch Gewerbesteuern nicht ausgeglichen werden kann.
Es gibt eine Aufgabensetzung unterschieden in „Pflichtaufgaben“ und „freiwillige Aufgaben“, die nicht von der Kommune kommt. Sie bestimmt aber die Prioritäten im Haushalt. Ein Kommunal-Parlament, das ein „Königsrecht“ hat, könnte zum Beispiel „Kultur für Alle“ oder „bezahlbares Wohnen“ als Pflichtaufgaben einfügen. Unserer Ansicht nach gehören diese Pflichtaufgaben in die Daseinsvorsorge der Gemeinde – genau wie gute Schulen und Kindereinrichtungen, ein preiswerter ÖPNV für die Mobilitätsbedürfnisse und viele andere Grundbedürfnisse.
Im Haushaltsplanentwurf werden „Ziele“ und „Prioritäten“ festgelegt. Hier findet sich der Gestaltungsspielraum der Kommune. Und hier gibt es deutlich die Alternativen, die DIE LINKE vertritt. Wir wollen eine Kommune, die wirklich sozial, gemeinwohlorientiert und nachhaltig ist. Beispiele sind:
- Die Stadt nachhaltig und klimaschonend entwickeln: kein Verbrauch ökologisch wichtiger und kein Verkauf öffentlicher Flächen. Konkret: die Neanderhöhe nicht entwickeln; zukunftsorientiertes Bauen nur mit hohen Klimastandards (Maiblümchen, Feuerwache, Wimmersberg) – aber auch der Ausbau von Photovoltaik auf den Dächern der öffentlichen Gebäude bei jeder Sanierung.
- Keine Privatisierung öffentlicher Aufgaben: ausgelagerte Aufgaben (Reinigung, Grünpflege etc.) müssen mit sicheren Arbeitsplätzen zurück in die Gemeinde. Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) soll es mit uns nicht geben.
- Bezahlbare Mieten: den Kommunalen Wohnungsbestand fördern durch die Umsetzung des Ratsbeschlusses zur Schaffung einer Kommunalen Wohnungsgesellschaft. Hierfür braucht es ein Konzept und ein Register über potentielle Flächen und Bestandsobjekte. Weitere Siedlungsentwicklung gehört in den Innenbereich, nicht in ökologisch wertvolle Randlagen oder Außenbereiche
- Kinderrechte stärken: Die Unterstützung unserer Schulen und Kindereinrichtungen z.B. durch weitere Streetworker*Innen, Sozialarbeiter*Innen und Hausmeister*Innen. Auch wenn wir auf eine Kindergrundsicherung nicht in der Gemeinde hinwirken können, kann die Stadt versuchen, unsere armen Kinder zu fördern. Und: sie kann endlich die überfällige Gesamtschule vorbereiten.
- Ein städtisches Kulturangebot als gesellschaftliche und moralische Pflichtaufgabe: Für die Dauer der Bürgerhaussanierung brauchen wir ein Konzept und Mittel für den Erhalt der dortigen kulturellen Angebote. Und die coronagebeutelten Vereine und Initiativen verdienen ein Entlastungskonzept. Auch die Dozent*Innen bei VHS oder Jugendmusikschule gehören in armutssichere Beschäftigungsverhältnisse – Arbeit in Kunst und Kultur darf nicht „prekäre“ Arbeit bedeuten.
- Und nicht zuletzt die Mobilitätswende in Erkrath fördern: Forcierung des Radwegeausbau durch das Vorziehen weiterer Projekte des Radwegekonzeptes bereits auf 2021. Fahrscheinfreier ÖPNV.
Die Priorisierungen und Ziele im aktuellen Haushaltsplanentwurf entsprechen im Ergebnis nicht unseren Prioritäten, sondern zielen viel zu oft ins genaue Gegenteil. Als Beispiele dafür nenne ich die Neanderhöhe und Erkrath Nord.
Wir haben klare Vorstellungen, wie eine Stadt wie Erkrath finanziert werden muss: Solidarisch! Für die coronabedingten Ausfälle haben wir eine Resolution an Land und Bund vorgelegt. Wir sind uns darüber bewusst, dass damit allein die strukturellen Finanzprobleme einer Stadt wie Erkrath nicht gelöst werden können. Weiter Änderungen wie eine grundsätzliche Erhöhung von Schlüsselzuweisungen, ein wirklich einzuhaltendes Konnexitätsprinzips oder eine Umstrukturierung der ständig neu aufgelegten und stark verbürokratisierten „Fördermitteln“ sind nötig.
Auch im aktuellen Haushaltsplanentwurf haben wir eine Reihe von Einsparungen (in Millionenhöhe) durch Verschiebung von Prioritäten unterstützt, zum Beispiel die Erschließungen und andere Maßnahmen zu Neanderhöhe und Erkrath Nord.
Wir wären nicht DIE LINKE, würden wir nicht darauf hinweisen, dass eine faire Besteuerung der Konzerne wie Amazon, Google und Co, eine echte Finanztransaktionssteuer, ein ehrliches Verfolgen der großen Steuerbetrüger von Cum Ex und Cum Cum / beim internationalen Mehrwertsteuerbetrug und natürlich eine Reichensteuer für Einkommen über 2 Mio. die Kassen auch für die Kommunen viel tragfähiger machen würden.
Trotz eingeschränkter, finanzieller Möglichkeiten hätte die Stadt über ihre Prioritäten die Chance, Schritte in die richtige Richtung zu gehen. In diesem Haushalt wird diese Chance vergeben – im Gegenteil: Es werden Schritte in die falsche Richtung festgelegt. Wir lehnen deshalb den Haushalt ab.
P.S.: Als kleines Dankeschön für die Unterstützung und Erklärung zu über 700 Seiten Haushaltsplanentwurf möchten wir Kolleg*Innen und Mitarbeiter*Innen der Verwaltung anbieten, dass wir uns gemeinsam mit der „Kritik der Politischen Ökonomie“ (Das Kapital, Karl Marx, 1867) auseinandersetzen. Das wäre nicht jedes Jahr neu erforderlich, würde uns aber gemeinsam helfen, den Haushalt jedes Jahr neu demokratisch, solidarisch und gemeinnützlich aufzustellen.
Markus Lenk, Fraktionssprecher DIE LINKE Erkrath
Eine Klasse „Rede“, vor allem für das „erste Mal“.